Bea Milana - Autorin

Gegenwart . Literatur . Europa

Kategorie: Real life

Nackt

Ich sollte mich ausziehen.

Viele Notfälle, sagte die Eine.

Liegt am Vollmond, sagte die Andere.

Hektische Handgriffe, konzentrierte Frauengesichter. Sie sehnten ein Ende der Überstunden herbei.

Die Eine gab mir einen grünen Umhang, zog das Bändchen am Rücken fest. Die Andere rasierte meine Schamhaare.

Über dem Bauch ein gestärktes Laken, weiß.  So schoben sie mich in den Flur.

Die Wände starrten mich an, sprachen nicht. Ich fror.

Ich bin hier überflüssig, sagte mein Verstand und verschwand. Und ließ mich allein mit der Angst.

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Großraumstörung

Fluch und Segen der digitalen Technik

Großraumstörungen gelten neben kosmischen Störungen, psychosomatischen Störungen, Störungen des Darmtraktes, Konzentrationsstörungen und Betriebsstörungen zu jener Art Störungen, die höchst unwillkommen sind. Ihre Nebenwirkungen und Folgen sind von unabsehbarer Tragweite und ihr Beheben außerhalb unserer eigenen Wirkungs- und Vorstellungskraft.

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Neulich in der U-Bahn

Ich sitze in der U1 Richtung Innenstadt und lese eine Kurzgeschichte. Auf den Bänken zu meiner Linken  sitzen zwei dickliche junge Frauen. Die eine trägt blond gefärbte Haare, die andere schwarz. Sie führen eine Unterhaltung, die mich aufhorchen lässt, denn es geht um ein Buch, das beide sehr beschäftigt hat.

„Das war ja alles aus einer Perpektive, ne?“

„Ja, aus ihrer. Bis auf´n Schluss.“

„Die letzten drei Kapitel, ne?“

„Ja. Da hat ER erzählt. Und alles ganz anders als SIE!“

„Ich frag mich immer, ob SIE das auch geschrieben hat? Die letzten drei Kapitel. Ich mein, SIE kann doch nicht ER sein.“

„Nee, das geht nicht.“

„Aber wer hat denn die letzten Kapitel geschrieben?“

Beide schauen sich ratlos an. Plötzlich erhellt sich das Gesicht der Blonden.

„Vielleicht ein ghostwriter?“

Ihre Freundin schaut lange in die Ferne, dann auf ihre Freundin.

„Ja, das wird´s sein. Ein gosthwriter.“

Markierungen

Über Spuren, die Leser in Büchern hinterlassen

Früher hielt ichBooks und ebooks Bücher ehrfürchtig in den Händen. Meine Finger strichen liebevoll über die Seiten. Geburtstagsglückwünsche schrieb ich grundsätzlich auf eine Karte, um ja nicht das jungfräuliche Weiß der ersten Seite zu beschmutzen. Niemals hätte ich gewagt, eine Ecke zu knicken, womöglich eine Seite herauszureißen.

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